THE CREW – Folge 783 STEPHAN S.
In der aktuelle Folge unserer Crewvorstellung haben wir die ehrenvolle Aufgabe, euch die Lebensweisheiten des Kneipenphilosophen Stephan S. näher zu bringen. Nachdem er seine Lehrjahre zwischen Proberaum, Tresen und Jobcenter aber unter stetem Einfluss der Torgauer Brückenkopf University of Punk Rock durchlief, kümmert er sich nun als Sozialpädagoge in einer Leipziger Jugendwohngruppe um die Zukunft unseres Landes und gibt sich ansonsten dem Konsum von Subkultur und ausgiebigen Kneipentouren hin. Euer Lieblingsfestival kannte er schon immer, musste aber erst mit einer seiner Bands eingeladen werden, um sich von dessen Qualitäten persönlich zu überzeugen. Als Ausrede reichte immer auf dieses schweißtreibende Wetter (Sommer. Bäh!), den ausgesprochen schönen heimischen Kirchturm und den Komfort der eigenen Sanitäreinrichtungen hinzuweisen. Deshalb ist es uns eine große Ehre, den richtigen Arbeitsplatz für Stephan S. aus dem Boden gestampft zu haben. Seine Anforderungen lauteten: Sitzplatzgarantie in trockenem und kommunikativem Umfeld und die Möglichkeit, Macht auszuüben. Auf einem Festival wie dem unseren nur am Tickethäuschen realisierbar. Inzwischen füllen die Berichte des Einlasses über jene Besucher Bände, die meinen, auf der Gästeliste zu stehen. Allein diese gesammelten Werke könnten uns die letzten Lebensjahre im BTF-Altenheim zu versüßen wissen. Kein Wunder, dass Stephan einen Arbeitsplatz zum ersten Mal mit „Ein geiler Job. Ganz ohne Jux und Dollerei: Die Einlasscrew fetzt und der „Job" macht mir Spaß!“ beschreibt. Wir sind genauso begeistert.
BTF: Unsere Festivalbesucher treffen beinahe als erstes auf dich. Dabei wundern sich verschiedentlich Gäste "Woher kommt mir dieser Typ denn bekannt vor?". Du trittst gern in die erste Reihe. Dann aber mit Gitarre, Mikrofon und Verstärkung im Rücken. Skizziere mal deine bisherigen musikalischen Etappen.
StS: Die Freude zur Musik wurde schon früh in mir geweckt. Auf Omas Couchgarnitur prüfte ich bereits in jungen Jahren die Sofa-Qualität der VEB Polstermöbel zu Liedern von UDO JÜRGENS („Der Teufel hat den Schnaps gemacht“ und „Mit 66 Jahren“) sowie zur LP-Compilation „50 Knüller am laufenden Band: Jetzt geht die Party richtig los!“. Die Liebe zum Texten erwachte dann mit den PRINZEN, die ich im Alter von etwa 10 Jahren rauf und runter hörte. Gemeinsam mit meinem besten Freund, der im Übrigen bis heute musikalisch an meiner Seite weilt, texteten wir wild drauf los und Kissen sowie diverse Küchenutensilien wurden zum Drumset umfunktioniert. Und das Ganze nahmen wir dann via Kassettenrekorder auf. (Eines dieser Tapes warfen wir im Übrigen bei einem ÄRZTE-Konzert auf die Bühne, in der Hoffnung, dass sie uns berühmt machen – hat eher suboptimal funktioniert, haha!).
Mit 17 wurde dann endlich die erste richtige Band aus der Taufe gehoben: DIE BLUMENTOPFERDE. Zahlreiche Alben und Konzerte bis ins Jahr 2019 zeugen von der Schaffenskraft dieser Band. Da eine Band aber nicht ansatzweise die Wut der Jugend einzufangen vermag, gab es zahlreiche weitere Kapellen, in denen ich als Texter, Sänger, Gitarrist und Bassist rumrandalieren durfte, so unter anderem bei NULL NIVEAU, STACCATO SPECIALS, ZVO55 und seit 2011 bei GLEICHLAUFSCHWANKUNG. Darüber hinaus gab es diverse Coverprojekte und an einem Fanzine arbeitete ich ebenfalls mit. Dass mir die „Vermittler*innen“ des Jobcenters in meinen 20ern Untätigkeit vorwarfen, empfinde ich daher bis heute als absoluten Frevel.
Und jetzt, in den End-30ern meiner Existenz, ist es an der Zeit, das Establishment mit einem ganz neuen Projekt herauszufordern. Denn wie heißt es so schön: „Wer mit 20 kein Trinker ist, hat keine gute Leber. Wer aber mit 40 immer noch kein Revoluzzer ist, der hat den Fußball nie geliebt!“
BTF: Dir scheinen FB, Twitter und Co. sehr zu liegen. Wann kommt endlich der Gabi Nichtsnutz Videochannel?
StS: Ich arbeite gerade daran. Das Konzept ist so einfach wie erfolgversprechend: Ich reite auf einem Delphin, klöpple währenddessen Origami und im Hintergrund spielt eine südamerikanische Panflöten-Band Lieder von den SCORPIONS. Mein dazugehöriger Telegram-Channel befindet sich mittlerweile im Aufbau und mir folgen bereits über 100.000 Peoples. #läuft
Aber mal ehrlich: Reichweite ist heutzutage die neue Währungseinheit, um die sich alles dreht und die Welt braucht nicht noch mehr Müll, mit dem sie via Social Media vollgerotzt wird. Ab und zu rülpse ich mal einen dämlichen Kommi in die Timeline und das sollte dann auch ausreichen.
BTF: Das Ziel deiner neuen Band, auf deren Nennung wir als Systemlinge hier leider verzichten müssen, scheint der direkte Weg in den sächsischen Verfassungsschutzbericht zu sein?
StS: Wenn bereits zu Beginn einer neuen Band das Konzept durchschaut wird, dann ist das … puh … was soll ich auf diese geniale investigativ-gossen-journalistische Frage antworten?! Wut-Smiley
In Zeiten, in der die demokratischen Werte erneut von rechtsaußen bedroht werden, die Gefahr jedoch links verortet wird (CoNeWItZ!!!1!11), ist es unumgänglich, neue Wege zu gehen. Was bringen uns gekaufte Likes aus Asien, wenn wir kostenfrei vom sächsischen Innenministerium gehyped werden können?! Im dritten Quartal 2021 soll unser erstes Hit-Album erscheinen, die Aufnahmen sind bereits im Kasten. Wenn wir es wirklich noch in den Verfassungsschutzbericht 2022 schaffen wollen, sollten wir das Album direkt via SMI veröffentlichen, sonst wird es wohl erst 2023 werden.