THE CREW – Folge 783 Cris K.


Wenn ich an anderer Stelle schon mal erwähnt habe, dass es zum guten Ton in der BTF-Crew gehört, auch mal abseits ausgetretener Wege zu gehen, ist Cris das genaue Gegenteil davon. Die Geradlinigkeit in Reinform. Ein fleißiger Student, der dem Abschluss in Informatik auch noch einen in Philosophie hinzufügte. Die Jurasemester dienten dazu, im Haifischbecken der modernen Wirtschaft bestehen zu können und dem Gegenüber stets eine Schlaumeiernasenspitze voraus zu sein. Eine echte Bilderbuchkarriere. „Wie kommt so jemand zur Crew meines Lieblingsfestivals?“ sehe ich euch fragen. Wenn wir das wüssten. Es gab wirklich schwierige Jahre für das BTF. Da mussten wir jede Unterstützung annehmen, die uns geboten wurde. So trat Cris in unser aller Leben. Der erfolgreiche Geschäftsmann aus dem Westen wollte dem kleinen Festival aus dem Osten ein bisschen Schützenhilfe geben und zeigen, wie ein Festival zum Erfolg wird. Also machten wir uns bei der gerade eröffneten Alte Hackerei in Karlsruhe (Hey Plüschi, bitte durchhalten!) richtig beliebt, als wir gemeinsam vor dessen Türen ein amtliches 2-Tage-Festival mit viel Punk Rock, Lesungen und Kunst organisierten. Irgendwann musste der erfolgsverwöhnte junge Mann erkennen, dass die Arbeiten sehr umfangreich und die Einsätze sehr hoch sein können. Und dass Erfolg auch mal die erreichte Kostendeckung sein kann. Er war erfolgreich auf Linie gebracht.

Der bekennende Ciderfan, der nun seine Brötchen schwer schuftend als Band-Informatiker verdienen muss, will noch eine wunderbare Geschichte aus dem BTF Kosmos loswerden und lässt sein Gegenüber (mich) dabei alles andere als gut aussehen. Ein Polizeieinsatz bei der Punkeria in Duisburg morgens um 7 Uhr. Die Jungs von der Müllabfuhr kamen zur Grobmüllabholung, doch ein Trottel hatte seinen PKW genau vor die anvisierte Haustür gestellt. Schnell waren die Cops am Start und weckten den ganzen Kiez um den Fahrer des hier völlig fremden Kraftfahrzeuges mittels ohrenbetäubender Lautsprecherdurchsagen zu finden. Es dauerte ein paar verschlafene Minuten, bis der Inhaber des Pkws realisierte, dass sein Auto gemeint war. Danach konnte er aber sehr behände und vermutlich leicht verkatert in Unterwäsche aus dem 4. OG zu seinem Auto sprinten. Und wer ihn persönlich kennt, würde sich wundern, wie schnell er sein kann. Da durch die sehr indiskrete Durchsage der ganze Straßenzug wach war und aus dem Fenster schaute, parkte er unter vielen amüsierten Blicken sein Auto vorschriftsmäßig um und überließ seinen Freunden und Helfern den eingeforderten Obolus für seinen nächtlichen Parkplatz. So einen Ärger hätten die Punker im Haus nie gemacht.

BTF: Wir erreichen dich auf einer ausgedehnten Cuba-Exkursion. Ihr habt einige Hilfsgüter im Gepäck. Wie stellt sich die Lage dar, nachdem die US-Regierung die Insel Castros auf die Liste der Terrorstaaten gesetzt hat? Kannst du nun noch Geschäfte im imperialistischen Ausland tätigen? Sind deine Konten gepfändet? Wann gibt es endlich wieder Bier auf Cuba und wie lässt es sich bei Mojito und Brot nur aushalten?
Cris: Wie die Lage vor Ort ist, beschreibt ein Bild aus einem kubanischen Supermarkt. Dort sind die Regale prall gefüllt. Allerdings ausschließlich mit Wasser, Rum und Zigarren. In einem schlecht Gefüllten gibt es nur Rum und Zigarren. Zahnpasta kostet hier bis zu 7 € und das Duschgel, sofern es mal welches gibt, ist mit Wasser gestreckt. Ansonsten sind hier alle wegen der Währungsumstellung am 1.1.21 (Abschaffung des CUC und die damit einhergehende Aufhebung der Dollarbindung) etwas vorsichtig, da dadurch alles nochmal doppelt so teuer wurde.

Ja, das mit dem Bier war unterwegs eine sehr lange Durststrecke, da es keines gab. Einmal hat mir ein Casa-Besitzer ganz stolz eine Dose Bier zum Abendessen hingestellt, die er irgendwo auf dem Schwarzmarkt teuer erstanden hatte. In Cienfuegos wurde es dann schlagartig besser. Das erste Zeichen war, als wir durch das offene Tor eines Lagerhauses mehreren Paletten voller Bierdosen sahen, die da jemand gebunkert hatte. Man war kurz davor, rein zu rennen und mitzunehmen was geht. Aber in der unmittelbaren Umgebung um dieses Lagerhaus wurde zum ersten Mal seit langem Bier ganz offen verkauft (0,33 l für 3 €). Und am nächsten Tag konnte man dann in einem Bistro sogar frisch gezapftes Bier, das in Kuba gebraut war, erstehen. Es bildete sich sofort eine lange Schlange und man bekam pro Person max. 1,5 Liter in das selbst mitzubringende Gefäß abgefüllt.

Wer genauer wissen will, wie die momentane Lage in Kuba ist, wie man helfen kann usw., den verweise ich auf die Kubahilfe von Luckas Winter. Die Meisten von euch kennen ihn mit Sicherheit vom Merchstand der Dritten Wahl. https://www.facebook.com/Luckas.Winter.Dritte.Wahl/

BTF: Du bist der Autor des Standardwerkes „Philosophie des Deutschpunks“ (dieses Buch gibt es wirklich). Deine Theorien werden in Fachkreisen sehr kontrovers diskutiert. Wie wird das Werk in die große Geschichte der abendländischen Philosophie eingeordnet? Du verlässt dich ja eher auf Theorien bekannter Kneipenphilosophen und bemühst weder den kategorischen Imperativ Kants, noch die Theorien der Frankfurter Schule. Ich meine eher Hegel als Adorno liegt dem Ganzen zu Grunde. Helfe dem ungebildeten Pöbel (mir).
Cris: Alle von dir genannten deutschen Theorien und Philosophen sind, wie es dem Deutschen oft zu eigen ist, viel zu steif und abstrakt, um sich der doch eher lebensnahen „Philosophie des Deutschpunks“ auch nur ein bisschen nähern zu können. Dem Ganzen liegt eher Diogenes von Sinope, auch „Diogenes der Hund“ genannt, zugrunde.

Er wird von Fachleuten auch als vermutlich erster Punk der Welt bezeichnet. Insbesondere sein berühmter Dialog mit Alexander dem Großen zeigt seine Ablehnung für Autoritäten. Auch die von ihm vertretene Lehre des Kynismus weist große Parallelen zu der Philosophie des Deutschpunks auf. Denn nach der kynischen Lehre beruht Glück auf innerer Unabhängigkeit und Autarkie. Diese führt zur Negation der althergebrachten Sitten, Normen, Gesetze, der Kultur, Kunst und Familie bis hin zur Erregung des öffentlichen Ärgernisses.

BTF: Die Punkeria in Duisburg hattest du hier selbst ins Spiel gebracht. Bei meinem Probewohnen (was hier bereits zur Sprache kam) war die Rede von Bierleitungen in jedes Zimmer. Was ist aus diesem Kleinod im malerischen Duisburg-Ruhrort geworden?
Cris: Die Bierleitungen sind leider der Finanzkrise zum Opfer gefallen. :enttäuscht: Denn es gab für solche Dinge keine Kredite mehr und auch die staatlichen Subventionen für solche essentiellen Dinge wurden ersatzlos gestrichen. Ansonsten existiert die Punkeria als Wohnprojekt für Punks weiterhin.

»Philosophie des DeutschPunks