THE CREW – Folge 783 Arne


Keine Ahnung, wie groß Arnes Visitenkarte wohl ist. Vermutlich hinterlässt er damit den ökologischen Fußabdruck eines texanischen Ölbarons. Okay, Spaß beiseite – er hat wahrscheinlich gar keine. Ein echter Tausendsassa ist er allemal. Er arbeitet als Fotograf, als Grafiker und Designer im Bereich Werbung oder in der Jugendbildung. Und da sein Tag vermutlich 48 Stunden hat, organisiert er auch noch Konzerte. Wir kannten ihn eigentlich „nur“ als Musiker. Auch das hat er mit voller Leidenschaft getan und wenn ich jetzt den Namen Oxymoron erwähne, klingelt es sicherlich ganz laut in euren Ohren. Er stieg nach der ersten Single ein und blieb in der produktivsten Phase Teil der Band. Die Amerikatour musste er arbeitsbedingt leider sein lassen, bei der legendären Japantour war er dann aber wieder dabei. Welche deutsche Punkband hatte einen vergleichbaren Erfolg im nichtdeutschsprachigen Ausland?

Und so kam er 1996 zu diesem verrückten Festival nach Großenhain, welches ursprünglich in Nauwalde stattfinden sollte (aber durch lauten Bürgerprotest und unter massiver Unterstützung der Bild-Zeitung zum kurzfristigen Umzug gezwungen wurde). Der Zündfunke für das, was das Back To Future einmal werden sollte, obwohl es das Glaubitz Open Air schon ‘ne ganze Weile gab. Arne war damals nicht nur mit Oxymoron am Start, sondern auch mit den Hinks. Da die beiden Bands schon am Freitag spielten, sah er nicht, wie ein stroh- und heugefüllter Flugzeughangar in Flammen aufging, der ehemalige Flugplatz der verdienstvollen Sowjetarmee von ‘ner wilden Horde Punks und Skins beinahe dem Boden gleich gemacht wurde. Nauwalde war froh, dass dieser Kelch an dem kleinen Örtchen vorbei gegangen war und der organisierende Kreisjugendring musste danach seine Insolvenz vermelden. Danke Daniel ;-).

BTF: Du bist ein sehr vielseitiger Fotograf. Dich können Gesichter, Menschen genauso inspirieren wie Ausflüge in die Natur oder architektonische Formen. Eine besondere Facette in deinem Portfolio bilden Bilder von Musikerinnen. Kläre uns doch bitte über die Motivation hinter dieser Serie auf und was du damit noch vorhast? Meinst du, es entstehen andere Bilder, wenn du als Fotograf und Musiker Kolleg*innen fotografierst?
Arne: Ich gehöre in der Tat zu den Fotografen, die nicht nur ein oder zwei Genres bedienen, das ist mir zu langweilig. Man kann aus jedem fotografischen Gebiet Inspiration ziehen und es woanders wieder einbringen. Ich habe seit einigen Jahren ein kleines Portraitstudio in Nürnberg, das ich tatsächlich nicht so häufig benutze wie ich eigentlich geplant hatte. Von Zeit zu Zeit brauche ich deshalb ein neues Projekt und so ist mir die Idee mit den Musikerinnen gekommen. Das Thema Musikerinnen im Punkrock wird ja grad in der 'Szene' heiß diskutiert. Es ist in der Tat so, dass die Musikszene speziell im Rock und damit auch im Punkbereich massiv von Männern dominiert wird und so kam mir 2019 die Idee, Musikerinnen in der Metropolregion Nürnberg in meinem Studio zu portraitieren. Dabei geht es mir um den Menschen hinter den Musikerinnen, nicht um die Bühnenperson. Die Fotos sollten eigentlich im Herbst 2020 im zbau Nürnberg ausgestellt werden, aber aus bekannten Gründen klappte das leider nicht. Ich hoffe aber sehr, dass ich 2021 die Bilder doch noch ausstellen kann.

Interessante Frage... Portraitfotografie ist zum großen Teil Kommunikation und da habe ich als Musikerkollege vielleicht einen einfacheren Zugang zu den Musikerinnen als andere um ins Gespräch zu kommen. Bei Livefotos ist es auf jeden Fall von Vorteil, weil mir die Mechanismen, der grobe Aufbau eines Songs und die damit verbundenen Bewegungen auf der Bühne sicherlich vertrauter sind als anderen Fotografierenden.

BTF: Ein ebenso interessantes Kapitel ist dein Bauzeugen-Projekt – Ein Blick auf die architektonischen Stilblüten der Zeit von 33 bis 45, die in und um Nürnberg zu finden sind. Du belässt es nicht nur beim Ablichten entsprechender Bauwerke. Du befasst dich auch mit dem ideologischen Überbau dieser wahnwitzigen Idee der Nationalsozialisten und wie sich diese in diesen Bauten manifestierte. Hier trifft sich dein politisches Engagement mit der Fotografie. Berichte uns doch mal über deine Aktivitäten als Referent zum Thema Rechtsextremismus und wie sich der Bogen zu den Bauzeugen spannt. Wie hat sich die Lage diesbezüglich in Franken in den letzten Jahren entwickelt?
Arne: Jetzt muss ich aber tief in die Mottenkiste greifen :-) Im Prinzip war es tatsächlich zuerst das Interesse an Geschichte, dem Nationalsozialismus und deren Architektur, das mich zur Kamera hat greifen lassen. Ich wollte dokumentieren, wie sich die Natur der verfallenen Architektur bemächtigt. Das war noch weit vor dem ‚Lost Place’ Hype der letzten Jahre. So entstand vor fast 20 Jahren dieses bauzeugen.de Projekt. Egal wo ich unterwegs war in Deutschland, habe ich versucht, Relikte aus dieser Epoche zu fotografieren und mich damit zu beschäftigen. Dieses Interesse hat mich dann zu einer Organisation namens DoKuPäd in Nürnberg geführt, die Führungen über das ehemalige Reichsparteitagsgelände und das dazugehörige Museum anbietet. Da bin ich jetzt seit über 17 Jahren hängengeblieben. Wir arbeiten dort hauptsächlich mit Schulklassen ab der 8. Klasse aber auch mit jungen Erwachsenen. Im Laufe der Zeit habe ich dann meine eigenen Vorträge zu verschiedensten Themen entwickelt.

BTF: Viele haben dich dann aber eher mit Gitarre statt mit Kamera vor Augen. Du hast in einigen Bands gespielt. Mit Oxymoron in einer der ganz, ganz wenigen deutschen Punk-Bands die international ernsthafte Beachtung fanden. Dein aktuelles Projekt sind The Art. Erzähle uns doch bitte etwas davon und wie sich der Weg bis dahin gestaltete.
Arne: Bei Oxymoron war ich als Bassist bis Herbst 1998 tätig, als sich dann unsere Wege trennten. Diese Zeit danach brachte für mich eine ganze Menge großer Veränderungen privater, musikalischer als auch beruflicher Natur mit sich. Bis 2000 bin ich noch mit meiner eigentlichen ‚Hauptband‘ The Hinks aufgetreten, danach war musikalisch erstmal Schluss mit Bands. Songs habe ich aber weiter geschrieben. Diese sind dann teilweise in die nächste Band ‚Droogiez‘ (2008-2014) geflossen, mit denen wir 2013 auch am BTF aufgetreten sind. Mit Moritz habe ich dann ‚The Art‘ gegründet. Das hat super Spaß gemacht, allerdings gab es innerhalb der Band dann auch viele private und berufliche Veränderungen, so dass das Projekt 2019 leider nach einer Mini-LP ausgelaufen ist. 2019 habe ich mich dann - diesmal wieder als reiner Bassist - mit guten Freunden als ‚Kaufkraft‘ zusammengetan und es ist auch relativ schnell eine sehr coole CD entstanden. Leider kam dann Corona – aber wir sind guter Hoffnung, dass wir auch bald wieder Konzerte geben können. Du siehst, so ganz lassen kann ich es nicht mit der Musik :-)

BTF: Zum Ende noch ein gemeinsamer Blick in die Glaskugel. Du machst Konzerte in Fürth. Welches Konzert hast du als letztes dort organisiert und wen wünschst du dir für das erste Konzert nach Corona? Und was befürchtest du, wird die Pandemie an negativen Spuren in der fränkischen Livemusikszene hinterlassen?
Arne: Ja, seit einigen Jahren arbeite ich für den Kopf und Kragen Club bzw. Con-action in Fürth und wir veranstalten Konzerte, Theater- und Tanzevents. Das Ganze ist eine Jugendeinrichtung der Stadt, so dass wir uns natürlich auch etwas breiter aufstellen müssen. Einmal im Jahr haben wir normalerweise ein Open-Air-Konzert, was aber musikalisch immer zwischen Punkrock, Hardcore, Ska und Psychobilly angesiedelt ist. 2020 haben wir wegen Corona alternativ eine Open-Air-Reihe gestartet und das letzte Konzert war mit The Deadnotes und den grandiosen Meanbirds. Man wird sehen, welche unabhängigen Veranstalter, Clubs und alle, die damit sonst noch zu tun haben, übrig sind, wenn es theoretisch wieder losgehen kann. Einige werden wohl nicht mehr dabei sein. Ich bin aber trotzdem guter Hoffnung, dass die meisten Leute in der Musikszene auch wieder am Start sein werden...

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